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Kalaschnikowa – das Lied ohne Ende

Premiere 2016, Haus der Kunst, Solothurn / CH weitere Aufführungen in Madrid_Teatro Fernan Gomez; Chile_
Internationale Theater– & Tanzfestivals Fintdaz und Zicosur; Brasilien_Festival "Janeiro de grandes Espetaculos"
Berlin_Performance Arts Festival_Hamburg Lichthof Theater_Potsdam Waschhaus Arena.

Die „Awtomat Kalaschnikowa“, die Kalaschnikow, die bekannteste Seriefeuer-Waffe der Welt. Ausgangspunkt der Tanzinszenierung Kalaschnikowa bildet die akustische Parallele von Seriefeuer und den salvenartigen Fussschlägen des Flamencotanzes. In einem Wechselspiel von thematischen und körperreaktiven Anknüpfungspunkten werden die Energien von Täter und Opfer, von Gewalt und Verletzlichkeit ergründet. Unter welcher Ideologie auch immer gefeuert wird: die Schüsse durchlöchern brutal die Stille, den Raum der Seele, das Prinzip von Leben und Lebenlassen, die Geborgenheit. Die seriellen Fussschläge des Flamencotanzes erfordern vom tanzenden Körper ein Wille und eine Härte, damit diese Leistung erbracht werden kann. Der Körper ringt sich diese Schlagserien ab. Er kämpft für und durch sie. Fussarbeit als Kampf gegen den Boden, seinen Körper, die Akustik des Raumes, gegen aussen und innen. Der Körper wird zum Täter und Opfer seiner selbst. Täter und Opfer in einer Person, in einem Körper, bald fest und gepanzert, bald brüchig und verletzlich. Die salvenartigen Fussschläge sind betörend und ohrenbetäubend zugleich, finden ihre Resonanz und Rezeption in den Körpern, die sie produzieren und auf die sie prallen. Stoss und Rückstoss, Anspannung, Entspannung und Kollaps als sich gegenseitig bedingende Prozesse. Die Waffe, eine Konstruktion zur Destruktion. Die Autodestruktion der Menschheit.

Auf der Bühne entwickelt sich ein konzertanter Aufbau von starker Rhythmik und Stille, von eingespielten Tonaufnahmen von Wölfen, welche ihre Bereitschaft, auf Unvorhergesehenes zu reagieren, in die schwarze Nacht hinaus heulen; Wolfsgesänge, welche an die Wehklagen des Flamencogesanges erinnern. Eine Reminiszenz an die Gitarre als dem zentralen Flamencoinstrument bildet die eingespielte Komposition „Hey Gipsy Boy“ von Jimi Hendrix – einem Gitarristen und Sänger, der sich im Zuge des Vietnamkriegs in seiner Musik bekanntlich mit Kriegswaffen auseinandersetzte.

Im Rahmen von Soli kommt die sog. Loop-Technik zum Einsatz, welche den Tänzerinnen ermöglicht, ihre Fussarbeit auf der Bühne live aufnehmen und anschliessend in einer Endlosschlaufe (Loop) abzuspielen. Der Einsatz dieser Technik ermöglicht den Tänzerinnen Überlagerungen und Interventionen zu den eigens „produzierten“ Fusssalven: Stoss und Rückstoss mit ein und demselben Körper, Täter und Opfer in einer Person.

Die endlose Serie von Schüssen, die zur endlosen Tragik der Geschichte führt, wird in „Kalaschnikowa“ akustisch und visuell umgesetzt: die repetitiven Fussschläge, die Loop-Aufnahme- und Abspieltechnik, das „Lied ohne Ende“ von Robert Schumann, die Räder, das überlange rote Kleid im Schlussbild.



Presseschau:

Flamenco wird zur Waffe

(...) Die Kulisse bietet nur alte Pneustapel. Martialisch ist dieser Unort, mahnt an Gettos, an Endzeitstimmung, rohe Verlorenheit und ist absolut stimmig. Das Licht fokussiert subtil das Dramatische der bewegten Atmosphären. Keine vordergründige Geschichte wird erzählt.
Dafür heftige Attacken der Flamenco-Fussschläge. Düstere, körperintensive Antworten des Leidens, heftige Zeichen des Ringens, des Fliehens und des Widerstandes, ineinanderfliessende, sich auseinanderentwickelnde, gestisch suggestive Wechselbilder. Kaum Sound, der das Geschehen unterlegt – stattdessen die Flamencoschritte, das Atmen der Tänzerinnen.
Schnell ist man in den Bann gezogen von diesen dichten Figurenbildern und getanzten Reflexionen, die eine konstant anhaltende assoziative Spannung auslösen. Der Flamenco, puristisch angedeutet, auf radikales Flamencostampfen reduziert, als repetitiver Loop eingespielt, der die Tänzerinnen animiert zum Wechselspiel expressiver Körpersprache und dramatischer Geste, von Aggressivität und Widerstand, Harmonien und Disharmonien, Macht und Ohnmacht, Leben und Leiden.
Der Flamenco treibt an, ist Rhythmus, gibt Kraft, löst sich auf, wird leise, zur Waffe: Ein intensiv gesteigertes Tanzgeschehen, das seine eigene, höchst wandelbare Sprache findet. Und dann plötzlich ertönt das Heulen der Wölfe, Jimi Hendrix’ «Hey Gipsy Boy», zum Ausklang Schumanns «Lied ohne Ende», musikalische Resonanzen auf die Bilder, die sich unwillkürlich einstellen. (...)
Flamenco steht auch für extreme Fussarbeit, für eine grosse physische, willensstarke Präsenz im Raum. Und so hinterfragt Anet Fröhlicher mit ihrer Inszenierung auch den Flamenco selber als tänzerische Haltung, die Emotionen, die energiegeladene Expressivität, die dieser martialische Rhythmus auslöst. Und stellt mit den ausdrucksstark agierenden Tänzerinnen choreografisch die Frage: Was bleibt, wenn der Fuss nicht mehr Flamenco tanzt, wenn die Spannung in Entspannung übergeht? Dann geht die Assoziation Flamenco-Kalaschnikow mit der Suggestion Täter-Opfer eine spannungsgeladene, tänzerische Beziehung ein und aus der konzeptuellen Choreografie wird doch eine Art Geschichte. Eher assoziativ denn narrativ, die mit leiser Ironie Grenzen sprengt und konsequent zum allegorischen Höhepunkt findet: Die Tänzerinnen entledigen sich der Flamenco-Schuhe und lösen sich damit von den «kalaschnikowen» Salven, schreiten mit Highheels und Krücken ihren Höhepunkt ab wie einen Sieg der brüchigen Eleganz über die verletzliche Kraft. Die Highheels tackern dennoch. Und ein rotes Kleid vereint Blut und Erotik. Irgendwie hat der Flamenco doch gesiegt.

Solothurner Zeitung, 2016



Kalaschnikowa, die Ikone der Freiheit

Die Compagnie el contrabando ist für ihre Innovation im Flamencotanz bekannt. Im neusten Stück Kalaschnikowa gelingt ihr eine zeitgenössische politische Relevanz. Aufgestapelte Autopneus begrenzen den Tanzraum. Geräuschimpulse jagen durch die Stille, wie das Echo von Schüssen im Gebirge. Vier Tänzerinnen schaukeln im Wind der Geräusche; ihr Blick weist in die Weite und in das Tiefinnere zugleich. Ergreifende Ruhe vor dem Sturm. Ein Aufatmen – der erste Stein rollt und eine Lawine pausenloser Fussschläge keilt den Zuschauer ein und nimmt ihm den Atem. Die Kalaschnikow – die bekannteste Seriefeuerwaffe der Welt – kommt als Requisit nicht vor, sie steht lediglich für die Dynamik im Stück: immer wieder werden die Körper von salvenartigen Fussschlägen zum Aufbau und Zerfall von Körperspannung und Bewegungsimpuls angespornt. Bis zum Schluss heizt sich das Stück durch die Explosivität der tanzenden Körper voran. Die Flamencorhythmik ist sich selber Impuls und Musik zugleich. (...)

ANDA, Zeitschrift für Flamenco, 2016



Flamenco reflektiert über Gewalt

(…) Flamenco ist ein sehr starker Tanz, der Frauen erlaubt, sich sehr kraftvoll und emanzipiert auszudrücken. Es hat eine hohe rhythmische Basis, die eine besondere Dynamik auf der Bühne verleiht. Die Compagnie erforscht die Möglichkeiten dieses Tanzes, um über den traditionellen Weg hinauszugehen.
Ihre Absicht ist es, eine Allegorie der Zerstörung zu schaffen, die die Gewalt, verkörpert durch Schusswaffen, verursachen kann, und obwohl weibliche Symbole wie High Heels benützt werden, geht das Thema über Genderfragen hinaus. Die Tänzerinnen repräsentieren mehr das Phänomen Mensch als Frauen. Sie sind in gewisser Weise androgyn in dieser Arbeit. Manchmal sehen die Zuschauer sie als Frauen, in anderen als Männer, manchmal auch in der Mitte.
Die Dualität zwischen Gewalt und Verletzlichkeit erreicht ihren Höhepunkt am Ende der Präsentation. High Heels werden am Ende der Show als Prothesen benutzt, nachdem die Tänzerinnen ihre Flamenco-Schuhe ausgezogen haben. Mit ihren hohen Absätzen sind sie weniger stabil und brauchen Krücken, und das ist ein surrealer Moment, welcher Raum lässt für Assoziationen und Interpretationen. Die Gewehre als Waffen der Männer, die High Heels jene der Frauen.

Diario de Pernamuco, 2018

Kalaschnikowa 60 Min.
IInszenierung & Choreografie: Anet Fröhlicher
Tanz: Jojo Hammer
Swaantje Gieskes
Vera Köppern
Henna-Elise Selkälä
Raum-Installation: Reto Emch
Lichtdesign: Stephan Haller