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Leitung, Choreografie: Anet Fröhlicher
Kompsition: E.L.F. Abdullah Benabdallah
Tanz: Membri di Genova Flamenco:
Bruna Learchi
Silvia Dall' Orto
Romina Parisi
Installation: Reto Emch
Lichtdesign: Contessa e Caretto
Fotografie: Paolo Catalano & Co
Gianluigi Suma
Alessandro Lupi
Andrea Guermani

www.youtube.com/electroflamenco

BOLERO DELLA BORSA


Premiere 2008, Genova, Palazzo della Borsa


Inspiriert von der Ausstellung "H2O" von Reto Emch, einer Installation 30 schwarzen Waschmaschinen und einem runden, 8 m Durchmesser grossen Wasserbecken, sowie dem Ausstellungsraum, der alten Genoveser Börse, einem riesigen runden Bau im Herzen von Genua, entwickelte Anet Fröhlicher zusammen mit dem Musiker Abdullah Benabdallah und Tänzerinnen von „genova flamenco“ einen Börsen-Bolero. Eine sich langsam aber stetig hochtreibende, pulsierende Choreografie, ein Bolero, ein Börsenalltag. Das Pulsieren der Börse als Puls für den Tanz, mit seinen up and downs, die Waschmaschinen als Plattformen der Börsianer, Bühnen der Tänzerinnen. Die Börse – eine Hektik, Energie und Dynamik, die dem Flamenco nicht fremd sind.  Die Börse, für sie ist Elektronik unabdingbar. Die Börse – ein aktuelles Thema, umgesetzt mit Flamenco- Versatzstücken und Elektro-Flamenco-Sound. Die Live-Audio-Technik erlaubt dabei neben konzipierten Passagen auch ein improvisatives Zusammenspiel zwischen Ton und Tanz wie im herkömmlichen Flamenco; überraschend, emotional, wie dies die Börse auch kennt.

Die Choreografie wurde anlässlich des Internationalen Tages des Tanzes, am 29. April 2008, im Palazzo della Borsa uraufgeführt. Anschliessend Selektion für den Choreografie Wettbewerb „Certamen de Coreografía de Danza Española y Flamenco“, 3.- 5. Juli 2008 in Madrid, Teatro Albéniz. Am 5. August 2008 Gastspiel in der Fondazione Merz, Torino, im Rahmen von „Meteorite in giardino“.


Sound

Für dieses Projekt arbeitet el contrabando auf der Tonebene mit E.L.F – Abdullah Benabdallah zusammen. E.L.F steht für Electro-Flamenco, für die künstlerische Verbindung zwischen Flamenco und elektronischer Musik. Anders als andere Electro-Flamenco-Projekte, die vor allem im Chillout-Bereich anzusiedeln sind, hat E.L.F zum Ziel, einen radikal neuen Flamenco-Sound zu kreieren. Dieser entsteht durch den Einsatz von Live-Sampling-Tools, welche erlauben, Live-Audio und Samples virtuos miteinander zu kombinieren.

Kontamination_Innovation


Der Körper ist in der Welt, wie das Herz im Organismus:
Er erhält die sichtbare Aufführung ständig am Leben, beseelt sieund nährt sie von ihnen, er bildet mit ihr ein System.
(Maurice Merleau-Ponty, Phänomenologie der Wahrnehmung
Verlag de Gruyter, Berlin, 1976)

Im Rahmen der Installation H2O von Reto Emch, dessen Arbeit immer wieder eine sinnliche Sphäre aktiviert, in der visuelle, kinetische, akustische Ereignisse parallel zu physikalischen und chemisch-alchemistischen Phänomenen interagieren, hat die Schweizer Tänzerin und Choreografin Anet Fröhlicher eine zeitgenössische Flamenco-Performance konzipiert und aufgeführt. Die Künstlerin hat mehrere Jahre in Spanien gelebt und die andalusische Kunst des Flamenco, die ihre Wurzeln bei den Gitanos, in der afrikanischen und jüdischen Welt hat und dann vom iberischen Kulturbestand assimiliert wurde, erlernt und praktiziert, sie fühlt jedoch das Bedürfnis, seine Sprache zu erneuern und sich von einer längst stereotypen Tradition zu distanzieren, die im Rückgriff auf melodische Gitarrensoli, Fächer und Kastagnetten Klischees vorwiegend folkloristischer Art bedient. Aus der Verbindung der mitteleuropäischen kulturellen Prägung von Anet Fröhlicher mit einer klar mediterranen Neigung entsteht eine konzeptionelle Sprache, die den inneren Trieb eines zigeunerischen, maurischen, afro-hispanischen Pathos der Ursprünge mit der aktuellen elektronischen Musik von Elf_Electro Flamenco unter der Leitung von Abdullah Benabdallah verknüpft und einen intensiven Dialog auf mehreren Ebenen mit den offenen, evolutionsfähigen Ausdrucksformen der zeitgenössischen Kunst aufbaut, wie es auch in den Bereichen Jazz, Rock und Blues bereits geschehen war. Die Kompagnie Flamenco el contrabando mit dem sympathisch ironischen, provokanten Namen wurde 1995 von der Schweizer Choreografin mit der Formalisierung dieses experimentellen grenzüberschreitenden Tanzes gegründet.

Das Ambiente, das deutlich von der Funktion konnotiert ist, die der grandiose Sala delle Grida – Saal des Geschreis – in der früheren Börse in Genua von den Architekten Coppedé einnahm, prägt die Performance Bolero della Borsa als einen Tanz, der das Fieber der Investitionen während der Börsenverhandlungen reflektiert: im dichten, zu- und abnehmenden Rhythmus der Füße (Zapateado) der drei Tänzerinnen Bruna Learchi, Silvia Dall’Orto und Romina Parisi, deren Plattform – wie einst die Tische in den Pariser Cafés, auf denen abwechselnd Flamenco- und Bolerotänzer auftraten – die laufenden Waschmaschinen von Reto Emchs Installation bilden. Zu den komplexen, nervösen Schritten kontrastieren die verführerischen Wellenbewegungen der Arme. Der bewegliche Klangteppich, der aus dem Geräusch der Sohlen und genagelten Absätze – wahren Perkussionsinstrumenten –, den Strophen des Sängers und dem elektronischen Sound entsteht, beginnt im kontinuierlichen Wirbel der Trommeln in den Wasch- und Trockenmaschinen zu vibrieren, zu rauschen und sich quasi zu verflüssigen. In eine Ausstattung, die der Zuschauer in seiner Gesamtheit erinnert, tritt mit dem Bolero della Borsa ein neuer Aspekt, der das Szenarium in gewisser Weise verwandelt, denn er löst eine Dynamik aus, die vielfältige sensorische und geistige Eindrücke erlaubt.

Diese “Erregung” eines vorherbestimmten Ambientes lässt Fragen zur Interpretation und zur Lesart von zwei eigenständigen kreativen Momenten aufkommen, die sich plötzlich kreuzen und einen Komplex innerer und äußerer Gliederungen von Subjekten, Objekten und Bewegungen bilden. Die erste Antwort ist, dass die Interaktion der beiden Ereignisse bei ihrem Eintritt in eine Sphäre globaler Ästhetik ein System aus Beziehungen und ein Spiel aus Spiegelungen erzeugt, bei dem sich der Gedanke an die Phänomenologie der Wahrnehmung aufdrängt, deren theoretische Grundzüge auf die Forschung des französischen Denkers Maurice Merleau-Ponty, Freund von Sartre und de Beauvoir und Schüler von Lacan, zurückgehen. Es ist nicht nur die räumliche Dimension des Tanzes, die sich zur Installation des Künstlers verhält, sondern auch die zeitliche. Wenn dann auch der Körper in einen Raum tritt, der vorher nur von Objekten bewohnt war, seien sie real, virtuell oder metamorphisch, multiplizieren sich die Horizonte der Situation und der Interpretation und weben ein dichtes Netz aus objektiven und intentionalen Fäden, die nach und nach aus den Dingen und Menschen hervortreten.

Ein Bericht von Viana Conti, Kunstkritikerin, Genova
Übersetzung: Annette Seimer)